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15.10.2012

Ingold Airlines "virgin" wie eh und je

Interview mit Res Ingold von Anna Felizitas Grazi

AFG: Im Gegensatz zu Branson, der den Weltraum im Visier hat, stelle ich mit wachsender Besorgnis fest, dass Sie sich vom Menschen als Passagier eher entfernen. Der Mensch kann zwar aufrecht gehen, aber fliegen kann er nur mit einer Prothese.
Der grenzenlose Neid der unsere Spezies gegenüber unseren fliegenden Mitbewohnern entwickelte, machte vor dem Genozid nicht halt. Im Süden fallen die Italiener mit ihren Schrotflinten über die Vögel her. In Legehennenbatterien halten wir nackte Hühner usw. Mit Pestiziden/Insektiziden vernichten wir die Kleinstfliegerei sogar vom Sprühflugzeug aus. (Gary Grant im Maisfeld lässt grüssen)

Was also unterscheidet Res Ingold noch von einem Branson?

RI: Branson ist Angelsachse, ich ein Emmentaler. Branson ist ein Selbstdarsteller, ich lasse das andere machen. Alphabetisch stand Branson schon immer vor Ingold, aber er ist älter, trägt Bart, spricht kaum Deutsch und Italienisch, kann auch nicht jederzeit überall sein. Gemeinsam haben wir jedoch beide eine Affinität für Schwerkraftüberwindungen. Beide tun wir Gutes und sprechen gerne drüber. Er eher in sportlichen, distanzorientierten und karitativen Unternehmungen, ich eher in der Erreichung gehobener Ziele. Er eher für wenige Milliardäre, ich mehr für die Passagiere am anderen Ende der Schere. So bleibt für beide genug zu tun.

AFG: Wozu brauchen wir Ornithoports?

RI: Unsere Fluglinie hat nie Massentourismus betrieben, sondern immer Marktnischen gefunden, um individuellen Bedürfnissen entgegenzukommen. Eines ihrer dynamischsten Segmente ist inzwischen die Flugsubstitution. Nicht jeder Flugwunsch muss durch eine physische Distanzüberwindung realisiert werden. Oft genügt eine Problemanalyse oder eine Standpunktveränderung, um die gewünschte Wirkung zu erzielen, was meistens auch viel sicherer, schneller und preisbewusster ist. Fliegen ist relativ.
Für viele Flugwünsche stellen Ornithoports geeignete Substitutionen dar. Vogelflughäfen sind vereinfacht ausgedrückt technische Landevorrichtungen für Vögel und Insekten. Es sind Einrichtungen für die Luft- und Flugsicherheit in unkontrollierten Zonen, sie werden meist in urbanen Umgebungen errichtet, seit einiger Zeit aber verstärkt auch in ländlichen Gegenden mit Kurangeboten. In der Natur landen die Vögel sowieso dort, wo sie wollen, in den Städten werden solche Einrichtungen jedoch zunehmend von Natur- und Kunstfreuden oder Imkern nachgefragt. Es sind Landschafts- und Parkgestaltungen mit artenspezifischen Einrichtungen für die Unterstützung von Balz- Brut- und Ernährungsgewohnheiten. Oft ist ein Spaziergang zu einem Ornithoport zielführender als ein Flug auf die Balearen.

AFG: Wie ist Ihre Affinität zu Ödlandschrecken zu verstehen?

RI: Diese Insekten sind nicht nur hervorragende Proteinlieferanten, sondern begnadete Täuschungsflieger (flight sham), ihr Flugverhalten ist einmalig. Ödlandschrecken sind echt cool und verlassen sich immer auf ihre Tarnfarben. Bei Gefahr verharren sie ruhig auf dem Boden anstatt wegzuhüpfen, um erst im letzten Augenblick aufzuspringen. Dabei öffnen sie die blauen Flügel, so dass ein optischer Blendeffekt entsteht. Sie flattern einige Meter blau flimmernd durch die Luft. Noch im Flug ziehen sie die Hinterflügel unter die tarnenden Deckflügel und schlagen einen Haken. Sie landen nie dort, wo der Verfolger sie erwartet und machen sich wieder unsichtbar.
Das Flugverhalten der Ödlandschrecken dient nicht bloss dem ordinären Zweck der Distanzüberwindung. Fliegen mit Täuschungsabsicht ist eine Funktionserweiterung, die auch im kommerziellen Luftverkehr Nischen öffnet. Fliegen um abzulenken, eine falsche Fährte zu legen, um einem Häscher zu entkommen oder dem Alltag zu entfliehen, hat nicht nur wirtschaftliche Vorteile, sondern durchaus auch ästhetische Qualitäten: Andere glauben zu lassen, man würde fliegen, während man längst angekommen ist oder gar nicht erst startet.

AFG: Was für ein neues Geschäftsmodell fährt Ingold?

RI: Die Holding besteht aus verschiedenen Unternehmungen unterschiedlicher, aber vereinbarer Rechtsformen. Zur Zeit gründen wir eine Stiftung, unter deren Mantel die überschüssige Gewinnabschöpfung sowohl sozialverträglichen als auch konzernverpflichteten Zielen zugeführt werden kann.

AFG: Ist Ingold eine grüne Airline?


RI: Parteipolitisch gibt es aus Informationsgründen keine Festlegung, wobei ökologische und soziale Fragen natürlich eine grosse Rolle spielen. Es ist wohl eher eine farbige, eine bunte Airline.


AFG: Was halten Sie von Terraforming im All? S. http://www.berenanews.com/berena133.html


RI: Klingt für mich nach Science Fiction - mit Unterhaltungswert und Inspirationspotenzial.
Für die tägliche Routine bleiben wir dann doch auf der Erde, wo wir noch lange genug zu tun haben.

AFG: Wieso starten sie in Kunsthäusern durch?


RI: Ästheten gehören zu unseren besten Kunden.

AFG: Möchten Sie eines Tages ein Engel sein und fliegen können?


RI: Engel sind eher was für den Engländer, aber mal selber fliegen können wäre schon schön.

AFG: Ist es wahr, dass sie auch in Sehnah einen Event planen?


RI: Es gibt nicht nur Gespräche, sondern bereits realisierte Planungsschritte. Die Öffentlichkeit wird zu gegebener Zeit über die Art der Angebote informiert.

AFG: Wie sehen sie die Zukunft der Luftfahrt? Was halten Sie vom Massentourismus?

RI: Mich interessiert die Umkehrung der konventionellen Flugplanung, die von der technischen Erreichung einer Destination ausgeht. In Zukunft werden Methoden gefunden, mit denen es möglich sein wird, dass die Destinationen zu den Reisenden gelangen und mit all ihren Eventualitäten und Unvorhersehbarkeiten ins Bewusstsein dringen können. Das ist ein grundlegender Unterschied zu der konventionellen Distanzüberwindung und erfordert im Gegensatz zu den Standards im Massentourismus oder mit den internationalen Frachtnormen eine effektiv nutzerorientierte Logistik. Denn je besser die Welt vernetzt ist, desto mehr Verbindungen und individualisierte Anschlüsse sind nötig, um nicht in Gleichschaltung und unreflektierten Gewohnheiten zu verkommen.

AFG: Was halten sie von Sportarten wie Wingsuit etc.


RI: Das ist wieder eher eine Frage für Sir Richard. Ich habe noch nie verstanden, was eine Sportarte ist.

AFG: Besten Dank, dass Sie die Zeit gefunden haben für dieses Gespräch.