Aus der Mythologie ist die heilige Hochzeit bekannt, die Paarung eines irdischen Menschen mit einer Gottheit, aus welcher in der Regel ein Vegetationsgott hervorgeht. Wir alle kennen den Mythos der Ureltern Adam und Eva im Paradies, das Eden genannt wird. Etwas weniger bekannt ist sicher die sogenannte chymische Hochzeit der Alchemie. Aus der Umarmung des königlichen Geschwisterpaares, geht der Hermaphrodit, das Wesen mit dem Doppelkopf hervor. Von Trier ist bekannt für seine Zitate. Er hat also gezielt etwas positioniert, das er unserem Unterbewusstsein mitgeben will. Ist das legitim frage ich mich? Wussten seine Cutter Anders Refn und Åsa Ingegerd Elisabeth Mossberg davon? Waren gar sie es, die... Darf Kunst das?
Marcel Duchamp kommt mir in den Sinn, insbesondere die Rezeption von Arthuro Schwarz. In seinen Ausführungen zur Alchemie steht geschrieben:
"Die stoffliche Befreiung des philosophischen Goldes vom gemeinen Metall ist der bildliche Ausdruck für einen psychologischen Prozess, nämlich die Befreiung des Menschen aus den fundamentalen Widersprüchen des Lebens."
In der Psychoanalyse könnten wir von der Bewusstwerdung des Gegenstandes (der bildliche Ausdruck), der z.B. einer Neurose zu Grunde liegt, ausgehen. Dem Film Antichrist ist die eigene Psychotherapie von Triers vorausgegangen. Der Film steht also unter dem Eindruck seiner eigenen Erlebnisse.
Arturo Schwarz bezieht sich voll und ganz auf C.G. Jung in seinen Ausführungen. In der besagten Traumfahrt hat Trier die heilige oder chymische Hochzeit (PolaPic II) eingeblendet und andererseits den Rebis Polapic I. Rebis wird in der Sprache der Alchemie die Frucht genannt, die aus der heiligen Hochzeit hervorgeht, der Hermaphrodit oder Androgyn. Was in Urzeiten getrennt worden war (der homo maior), wird so als weibliches und männliches Prinzip wieder zusammengefügt.
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Amphitheatrum sapientiae aeternae (1595), Heinrich Khunrath, ein Schüler von Paracelsus |
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Albert der Grosse zeigt dem Hermaphrodit das Zeichen des ewigen Lebens das Y |
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Antike Statuette eines Hermaphroditen (Louvre) |
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Hieros gamos / Heilige Hochzeit |
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chymische Hochzeit |
Der Stein des Weisen (lapis philosophorum), so Schwarz, sei nicht ein Stein oder Goldklumpen, sondern bedeute das goldene Verstehen. Forschen sei demnach wichtiger als die Belohnung des Forschens, wichtiger als das Ergebnis. Nun ging mir ein Licht auf. Schon der andere Sehnaher Künstler HUS bezieht sich offenbar auf Schwarz, mit seiner berühmt berüchtigten und oft missverstandenen Aussage: " Das Kunstwerk als Abfallprodukt des Prozesses." So betrachtet, sind also die uns vorliegenden Werke vom Prozess der "chymischen Hochzeit" abgefallen. Der Alchemist, ein Junggeselle, der sich der Prokreation verweigert, stellt also im Stein des Weisen nicht etwa Gold her, sondern primär das "goldene Verstehen" die sogenannte "aurea apprehensio". Setze ich also den Künstler an die Stelle des Alchemisten, so ist das Labor des einen des anderen Atelier. Und der Stein des Weisen ist das abgefallene Werk, das aus dem Laborieren hervorgeht. Sowohl Schär als auch HUS distanzieren sich von alchemistisch-esotherischen Tendenzen. Beide verstehen unter künstlerischem "Forschen" eine Art gesteuertes Spiel mit dem Zufall. HUS hat dazu folgendes gesagt:
"Der Zufall der aus dem intuitiven Handeln hervorgeht ist ein Teil der Individuation, ein Begriff den C.G. Jung geprägt hat. Ein kreativer Mensch hört auch auf die Chiffern des Unbewussten. Jeder Künstler entwickelt seine eigene Methode. Diese hat aber mitnichten etwas mit Zauberei zu tun, sondern ist eine Leistung die unser Gehirn vollbringt."
Und in der Süddeutschen fand ich in folgendem Artikel:
http://www.sueddeutsche.de/kultur/kritik-am-film-antichrist-gegenwart-des-boesen-1.25802-2
Das Ende des unser Denken so lange beherrschenden monotheistischen Modells, von der Moderne und der Postmoderne intensiv propagiert, hat sicher mit der verstärkten Dominanz der Bilder in unserer Gesellschaft zu tun. Und mit der Diskussion, wer die Bilder bestimmt, die eine Gesellschaft produziert und zirkulieren lässt.
Einer Sache musste ich noch besondere Beachtung schenken. Am Anfang des Films Antichrist passiert folgendes, lassen wir Elfriede Jelinek sprechen:
Ein Ehepaar fickt, und derweil fällt der kleine Sohn, der die Tür seines Laufstalls öffnen konnte, aus dem Fenster, seinem Teddy hinterher, und stirbt. Die Welt stürzt ein. Hätte Satan die Welt nicht geschaffen, sondern Gott, wäre das nicht passiert. Es hätte etwas ganz andres passieren können, und das hätte auch ein Film sein können, wenn auch nicht genausogut. Alles, was getan wird, ist ein Verstoß gegen irgendetwas, alles ist auch eine Ausnahme. Film ist eine Ausnahme zwischen Licht und Schatten, die man auch Aufnahme nennt. Etwas wird im Film aufgenommen. Doch das Ausgenommene (Ausgeweidete) ist das, was man am Ende sieht. Die Welt ist schon da, die Menschen sind von ihr ausgenommen, leere Flecken, die jeder füllen kann. Auch jemand wie Lars von Trier, der die Schöpfungsgeschichte beseitigen will, indem er sie in ihr Gegenteil verkehrt. Das Ende, der Tod eines Kindes, ist der Anfang eines Höllensturzes der Eltern, obwohl der Tod nicht der Anfang, sondern das Ende ist. Aus keiner Geschichte kann aber die Macht beseitigt werden. Die größte Macht haben die Menschen, die alles machen und alles kaputtmachen können.
Im Neolithikum wurde die grosse Mutter verehrt. Aus der Verbindung mit einem Stadtfürsten ging alle Jahre der Jahresprinz oder Vegetationsgott hervor. Der Mythos bildete so den Vegetationszykus von Entstehen und Vergehen ab. Die jüdisch christliche Mythologie spricht von der Vertreibung aus dem Garten Eden, vom Sündenfall der Ureltern, vom Baum der Erkenntnis. Am Ende der Geschichte steht die Erlösung im Opfer des Messias. Auch der Messias geht aus einer heiligen Hochzeit, einem göttlichen Eingriff in die irdische Gottesmutter Maria, hervor. So jedenfalls will es das neue Testament.
In seinem Versepos Paradise Lost (1667) zeigt John Milton Luzifer den er dort „Satan“ nennt und somit mit diesem gleichsetzt als stolzen, ehrgeizigen Engel, der sich nach seiner Auflehnung gegen Gott gestürzt in der Hölle wiederfindet. Dort übernimmt er die Leitung („Better to reign in Hell than serve in Heav’n“)[13] und setzt, von Mammon und Beelzebub unterstützt, erfolgreich seine rhetorischen und organisatorischen Fähigkeiten ein. Später betritt er den Garten Eden, um dort in Gestalt der Schlange Adam und Eva zu verführen, vom Baum der Erkenntnis zu essen.
Im Film Antichrist kommen drei Menschen vor dessen Gesichter erkenntlich sind, das Kind und die Eltern. Es kommen zwei Vornamen vor, der des Arztes und der des Sohnes Nic. Wie schon Elfriede Jelinik schreibt, die Ekstase der Eltern ist gleichzeitig ihr eigener Höllensturz.
In der Offenbarung des Johannes (22,16 EU) spricht Christus von sich als dem „strahlenden Morgenstern“ (lateinisch stella splendida matutina). Aus diesem Grund hielten die frühen Christen Luzifer für einen Beinamen Christi.
In seiner Schrift De principiis Prooemium und in einer Homilie über das Buch XII verglich der christliche Gelehrte Origenes den Morgenstern Eosphoros-Luzifer erstmals mit dem Teufel/Satan. Im Kontext mit der im Christentum aufkommenden Engellehre vertrat Origenes die Ansicht, dass der ursprünglich mit Phaeton verwechselte Helal-Eosphoros-Luzifer, nachdem er sich Gott gleichzustellen versuchte, als himmlischer Geist in den Abgrund stürzte.
So oder so, die Lichtgestallt der Sohn fällt. Gottes Lieblingsengel Luzifer stürzt als erster, dann Adams Ausweisung ein "Zwischen-Fall" und zu guter letzt der Sohn. Er fällt nicht, da gut befestigt.
Während der Paarung unter der reinigenden Dusche, wird das Kind Nic "geopfert". Dazu die Arie aus Händels Oper Rinaldo: „lascia ch’o pianga“.
In der Uraufführung am 24. Februar 1711 sang die Rolle des Rinaldo der Soprankastrat Nicolo Grimaldi, genannt „Nicolini“. - Nic/Nicolini Ein Zufall?
Rezitativ: (Im Film nicht zu hören)
Armida, fühlst du nimmer, was du ewig mir raubtest,
des Lebens holde Lust verschlang der Abgrund;
und hier der Hölle Qualen, die ich erdulde in nie gekanntem Jammer.
O Herr! Mitleid erfleh' ich, sieh' meine Tränen.
Arie:
(A) Laß mich dir klagen,
daß mir hienieden
mein Los beschieden
verbannt zu sein.
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(B) Der Freiheit Wonne
schwand meinem Leben;
könnt' ich mit Tränen
den Tod ersehnen,
er bringt Erlösung
von aller Pein.
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Luzifer, ein Erzengel, der sich über Gott seinen Schöpfer erheben will. Phaeton, der unbdingt den göttlichen Wagen lenken will. Adam, der vom Baume der Erkenntnis isst, verführt von Schlange und Weib. Christus, der wie ein Vegetationsgott geopfert "werden muss", damit Heil hervorgeht, damit Leben entsteht. Nic, das Kind, das den Laufstall verlässt und vorher noch mit seinem Teddy dem Babyphon eins auswischt, als wolle es den Kontakt "zum Vater abschneiden" und ihm mit seinem Höllensturz die Mutter wegnehmen. Nic, der in seinem Begleitgesang - "Lass mir Dir klagen" - als Soprankastrat Nicolini die Kastration durch den Vater vorwegnimmt, indem er selbstbewusst aus dem Fenster steigt und mit unbeteiligtem Antliz (in Zeitlupe) in die Tiefe stürzt, begleitet von Schneeflocken als wären sie der Goldregen des heiligen Geistes.
Der Tod des Kindes, als Symbol für den Widerstand gegen das Überich, den Vater, die Gesetze, die symbolische Ordnung, die Kastration. Daraus geht der Satz hervor, den der Fuchs im Film ausspricht: "Chaos regiert". Das Weibliche, die Natur wird immer obsiegen, deshalb muss es bis auf das Blut bekämpft werden. Dies wird uns z.B. in Waris Diries Autobiografie "Wüstenblume" drastisch vor Augen geführt. Noch heute werden täglich mehrere tausend Mädchen an ihren Genitalien verstümmelt. Entfernt werden unter widrigsten Umständen und ohne Betäubung die Klitoris sowie die inneren und äusseren Schamlippen. Die Vagina wird als Zeichen der Keuschheit bis auf eine kleine Öffnung zugenäht und darf erst vom künftigen Ehemann aufgeschnitten werden.
Dazu Elfriede Jelinek zum Film Antichrist:
Am Ende kastriert die Frau sich (als hätte Freud sich selbst auseinandergenommen, kastriert sich hier das ohnehin immer schon kastrierte Wesen, die Frau, „Die Hexe“, als müßte sie ihre eigene Ermordung, die Ermordung der Hexe schlechthin, auch noch sühnen), sie schneidet sich einen Teil ihres äußerlich sichtbaren Geschlechts, die Klitoris (einen Teil, den man sehen und damit auch: erreichen kann, wohingegen das Unheimliche der Frau, die dem Mann schließlich ein Heim bieten sollte, ein schönes, darin besteht, daß ihr Geschlecht, das eigentliche Heim, aus dem damals das Kind gekommen ist, eben nach innen geht und nicht gesehen werden kann, es kann nur indirekt repräsentieren, durch Zuckungen oder Säfte, die fließen.
Die Praxis der Genitalverstümmelung bei Mädchen, welche nicht dem Koran entstammt, hat ihre Gründe in der totalen Entsubjektivierung der Frau. Bornemann schreibt in seinem Opus Magnum "Das Patriarchat": Die Norm des Embrios ist also die weibliche. Nur durch enorme Androgenabsonderung wird der Embrio auf männlichen Kurs gebracht. ... und weiter: Heute da wir wissen, dass der Fötus bis zur fünften/sechsten Woche weiblich ist, könnte man eher behaupten, der Penis sei eine wuchernde Klitoris usw. ... Welche gesellschaftliche Pervertierung notwendig war um die Frau auch physisch zum Verschwinden zu bringen (Genitalverstümmelung/Verhüllung etc.) ist mit folgendem Absatz nur bedingt zu erklären.
Der Ödipus-Komplex ist bei Freud eine Überführung des Unbestimmten ins Bestimmte, das sich durch ein Spiel der Identifizierungen in der kleinfamiliären Triade zwischen Mutter, Vater und Kind abspielt. Dabei spielt im Falle eines männlichen Kindes die Mutter als symbiotische Partnerin und Ernährerin die Rolle des Quells von Befriedigung, des idealen Objekts, der Vater die Rolle des Verbots dieses unmittelbaren Genusses und Aufforderung zur identifizierenden Nachfolge und zum Triebaufschub. Im Falle des weiblichen Kindes gelingt die Identifikation mit dem Vater als gesellschaftliches Prinzip des Triebverzichts und als Modell für das Über-Ich nicht vollständig. Das Mädchen kann sich nicht vollends von der Mutter lösen und wird deshalb nicht ganz zum Subjekt, sondern versucht stattdessen, indem es sich an passiven Triebzielen ausrichtet, zum idealen Objekt zu werden.
Weiter bei Lacan:
Der französische Psychoanalytiker Jacques Lacan bezeichnet die „Kastrationsdrohung“, der das Kind sich ausgesetzt fühlt, als „Nein-des-Vaters“ (Non-du-Père). Dieses Nein kann sowohl vom Vater selbst als auch von anderen Personen „Im-Namen-des-Vaters“ (meist implizit) ausgesprochen werden. Da für Lacan der Name-des-Vaters (le Nom-du-Père) auch die Gesetze der Gesellschaft repräsentiert (etwa das Inzesttabu), gehört der Kastrationskomplex der symbolischen Ordnung an. Durch das Nein des Vaters wird das Kind in die symbolische Ordnung der Gesellschaft und der Gesetze eingeführt. Lacan bezeichnet die Kastration, die ja stets nur angedroht bleibt, und die mit dieser Drohung einhergehende Hinwendung zum Symbolischen, deshalb auch als „symbolische Kastration“.
Im Film Antichrist ist die Kastration ein zentrales Thema. Elfriede Jelinek beschreibt den Vorgang folgendermassen:
Aber im Reich des Antichrist wird Ficken zum Töten und Töten zu Sex. Eine Tätigkeit, die Leben schaffen könnte, wird zur Vernichtung inmitten der (wie gesagt: ebenso grausamen, doch das in aller Unschuld) Natur, die hier düster und bedrohlich ist, ein Hochwald, ein Ur-Wald. Freud wird zur Parodie, wenn die Frau dem Mann in einem grotesken ödipalen Zitat einen Schleifstein, den sie aus dem Gestell herausmontiert (ein Mühlstein? Der Mühlstein, den sie um seinen Hals ist? Aber jetzt kann er nicht mehr weg, er kann nicht mehr fliehen!) ins Bein rammt und auch noch mit einer Schrauben-Mutter dort fixiert, den Mann zu einem Schwellfuß, einem Hinkefuß macht, ihn beinahe lähmt, nachdem sie ihn zuvor mit einem Brett bewußtlos geschlagen hat. An dieser Stelle vergisst die Jelinek zu erwähnen, dass der Schlag mit dem klobigen Vierkantholz mitten auf Penis und Hoden herunterdonnerte. Eher eine Zertrümmerung als eine Kastration also. Der Mann liegt da, bewusstlos mit einer Erektion. Und er, den sie danach masturbiert, spritzt ihr sein Blut auf die Bluse. Sie will damit nur erreichen, daß er bleibt („don’t leave me!“, der Urschrei schlechthin, schon von Jesus am Kreuz an seinen Vater gerichtet, ergebnislos, weil er ergebnislos auch sein sollte und von Anfang an so gedacht war). Ödipus, einer der großen Angelpunkte von Freuds Theoriewerk, wurde als Kind zum Schwellfuß gemacht und in die Wälder gejagt, also: fortgejagt. Sein Bleiben war unerwünscht, denn Entsetzliches drohte durch ihn; doch dieser Mann hier muß bleiben, er darf nicht fort. Die Frau, von ihrem Mann/Therapeuten (Vater/Rationalist) wiederum, ebenfalls ein Akt der Infantilisierung, denn auch der Vater will ja das Kind zurückhaben, was nicht geht, zu ihrem eigenen (unmündigen) Kind, das sie verloren hat, gemacht, reagiert mit äußerster Wut auf diesen Prozeß der Entmündigung, eigentlich: des Entzugs, denn das Schlimmste ist ja, daß Gott, der Mann, geht, daß er die Frau verläßt. ....
Die Hexen waren ja angeblich gegen Gott, das heißt, sie waren mit dem Teufel im Bunde, sie haben Macht an sich gerissen, die ihnen nicht zustand, und sie waren überhaupt: angeblich, und sie waren auch das Gegenteil davon. Sie waren mächtige, durch sich selbst ermächtigte Frauen.
Der Titel "Hexe" ist im Patriarchat der Preis für die Subjektivierung, für die sich selbst ermächtigende Frau. Der Film Antichrist beginnt mit dem Koitus des heiligen Paares unter der reinigenden Dusche, er endet - aber lassen wir ein letztes Mal Elfriede Jelinek dazu sprechen:
...die Mutter wollte die Schöpfung noch herumreißen, wenn nötig auch auf Kosten des Sohnes. Jetzt erst sieht der Mann auf alten Fotos, daß das Kind die Schuhe an den „falschen“ Füßen trägt, obwohl die Füße schon richtig wären, nur die Schuhe sind es eben nicht, die Zivilisation paßt nicht auf die Natur, den Schuh soll sich anziehn, wer will, nur eine Hexe kann es umkehren (heilen). Die Frau MUSS sublimieren, aber sie kann es nicht, laut Freud, der angeblich tot ist. Ihr Über-Ich ist zu schwach dazu, und wozu braucht sie überhaupt ein Über-Ich? Sie braucht es nicht. Sie kann es gar nicht ausbilden. Und wenn sie es sich doch anmaßt, wird sie bestraft, und als der Mann nun in die Zivilisation zurück „ab“-steigt, kommt ihm ein unübersehbares Heer, nein, nicht Heer, sie sind einfach da, gesichtslos, einfach Gestalten, Scharen von Frauen entgegen. Die toten Frauen der Jahrhunderte. Seine hat er, nachdem er sie getötet hat, verbrannt. Die Hexe ist tot. Die Schiffe, die uns alle einmal getragen haben, sind hinter uns verbrannt worden.
Ist es nun ein Witwer oder ist es ein Junggeselle, der durch das Meer dieser gesichtslosen Frauen humpelt? Der Mann, der k+astrierte, der blessierte, der Mörder, der Überlebende? Wohin will mein Text beginne ich mich zu fragen. Eigentlich sollte dies ein Text über die Arbeiten von Rudi Schär werden, doch bevor ich auf ihn zurückkomme, muss ich diese Geschichte für mich zu Ende bringen, nicht zu letzt, da diese auch einen tieferen Einblick in das Werk von Schär gibt. Zudem gibt es eine Verbindung zu Duchamp. Duchamp hat erst sehr spät geheiratet. Eine Frau, die, so Arthuro Schwarz, keine Kinder mehr zur Welt bringen konnte. Er war der klassische Junggeselle, ein Zölibatär. Noch einmal lese ich den legendären Ausstellungskatalog von Harald Szeemann "Junggesellenmaschinen" durch. Auch der Alchemist ist ein klassischer Zölibatär. Ich komme zum Schluss, Zölibatäre verweigern sich der Prokreation um dem Antichrist zu entgehen. Sie vergessen dabei, dass sie sich dadurch wie Luzifer über alles stellen wollen. HUS dazu: "Künstler müssen oft diesen einsamen Weg gehen, das ist der Preis."
Die Synode von Elvira (lat. Concilium Eliberritanum) war eine frühe Kirchenversammlung in Spanien. Der genaue Zeitpunkt der Synode ist nicht bekannt; er liegt zwischen 295 und 314. Aller Wahrscheinlichkeit nach fand sie zwischen 300 und 302 in Ilíberis bei Granada statt (heute teils mit dem Albaicínhügel, teils mit Sierra Elvira (Atarfe) identifiziert).
Die Synode erließ ebenfalls Vorschriften zur Lebensführung für Kleriker. Unter anderem wurde ein Verbot des ehelichen Verkehrs und der Zeugung von Kindern für Bischöfe, Priester und Diakone beschlossen (can, 2733). Nur leibliche Schwestern, Töchter oder geweihte Jungfrauen durften mit Klerikern in einem Haushalt leben.
Könnte es sein, dass die alchemistische Variante die chymischen Hochzeit aus der Tatsache heraus entstand, dass "nur leibliche Schwestern, Töchter oder geweihte Jungfrauen mit Klerikern in einem Haushalt leben durften? Könnte es sein, dass die chymische Hochzeit aus einem solchen Bruder/Schwester oder Vater Tochter/Inzest abgeleitet wurde? Was ist an anderer Stelle mit den rückständigen Kulturen los, die ihre Frauen verstümmeln, an alte Männer verheiraten und sie unter Burkas und anderem Tuch verhüllen oder sie gar wegsperren? Un was hat das alles mit Kunst zu tun, frage ich mich? Aber unsere Kultur wäre nicht das was sie ist, wenn sie auf diese Frage noch eine weitere Geschichte anzubieten hätte:
Pygmalion fleht die Göttin Venus an, sie möge sich erbarmen und seiner Statue Leben einhauchen. Kaum hat er seinen Wunsch geäußert, da wird er auch schon erfüllt. Aber ach: Galathée entpuppt sich als mannstoller Vamp. Erst betört sie Pygmalion, dann seinen Diener Ganymed und als schließlich wieder der penetrante Kunstliebhaber auftaucht auch noch diesen. Pygmalion wird wütend. Er hatte geglaubt, in einem schönen Körper müsse auch eine gute Seele stecken. Nun muss er Venus nochmals um Hilfe bitten. Sie soll die Metamorphose rückgängig machen. Venus erhört ihn erneut. Als die schöne Galathée wieder zu Marmor erstarrt ist, verkauft Pygmalion das Luder mit Freuden an Mydas.
In diesem Mythos wendet sich der Künstler an die Göttin Venus und wird erhört. Es ergeht ihm fast wie dem Sexualforscher Ernest Bornemann, der mit seinem Buch "das Patriarchat" die Frauen befreien wollte und am Ende durch die Eskapaden seiner 47 Jahre jüngeren Geliebten und deren sadistischen Sexualpraxen in den Selbstmord getrieben wurde, nachzulesen unter anderem im Buch "der Krückenkatus" von Franz Schuh.
Ein weiterer Junggeselle, der einen Pakt schliesst mit dem Teufel ist wohl der Berühmteste unter allen, Faust. Die weibliche Variante ist erheblich jüngeren Datums. Grace Eder, in Lea Singers Roman Mandelkern. Diese lebt als erfolgreiche Neurowissenschaftlerin in München. Bei der Suche nach dem, was die Welt und den Menschen im Innersten zusammenhält, hat sie es als Hirnforscherin, ähnlich wie der von Goethe unsterblich gemachte Dr. Faust, erheblich weit gebracht. Von den Neurowissenschaften ist es nur ein Katzensprung hinüber zu den Kybernetikern der künstlichen Intelligenz, die den Androiden bauen möchten, das künstliche Kind. Und darum geht es in der Kunst. Sie entstand, wie uns der Einfleischer von Sehnah, HUS, weismachen will, aus zwei Minderwertigkeitskomplexen des Mannes. Erstens, die Unfähigkeit des Gebärens und zweitens die Angst vor der Kastration. Dies sei der Motor des Unbewussten, das den Mann antreibe, die Schöpfung selber in die Hand zu nehmen. Ein solches Monstrum könne nur ein Junggeselle sein oder ein Gott. Aber schon Zeus hat sich mehr oder weniger erfolgreich im Gebären versucht wie wir wissen. Er ist der Erfinder der sogenannten Kopfgeburt.
Auch wenn sich die Welt zusehends verändere und die Frauen sich längst als Künstlerinnen etabliert hätten, so sollten sie nie diesen Ursprung vergessen, so HUS. In Bornemanns Patriarchat steht auf Seite 514 oben: "Das griechische Wunschbild der Frau mit Penis ist also ein Monstrum, der wirkliche Hermaphrodit ist stets ein "Mann" mit Vagina."
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Aus dem Dürrerzyklus "Modifikationen" von HUS |
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Beide Künstler, Rudi Schär und HUS befassen sich mit Schöpfungsmythen verbunden mit den Mythen des Alltags. Ihre Werke sind oft Aufklärung der Aufklärung selbst. Wenn Schär sagt, "ein Bild ist ein Bild ist ein Bild...", sagt HUS, "die Aura, sind nur wir".
Man glaubte früher, dass Stoffe, die miteinander reagieren, eine Art Verwandtschaft zueinander haben müssten. In der Chemie nennt man das Affinität. Alchemie als Transformation und Fotografie als "das ewige Leben" sind wahlverwandt. Ammoniumthiosulfat wird als Schnellfixiersalz (ähnlich wie Natriumthiosulfat) zur Herstellung von Fixierbädern in der Filmtechnik, Phototechnik verwendet. Sel (Salz) steht sowohl in seiner exoterischen (Salz) als auch esoterischen Bedeutung (Geist=Spiritus) für Denkvermögen, Intelligenz und Schärfe des Verstandes. Im Tractatus aureus, der Hermes Trismegistos zugeschrieben wird, steht geschrieben: "Wer ohne Salz arbeitet, der strafft den Bogen ohne Schnur." Heinrich Khunrath, ein Schüler von Paracelsus, prägte den Satz: ...ohne Salz kann die Arbeit nicht zum Erfolg führen. Der surrealistische Dichter Robert Desnos hat den Namen Marcel Duchamps in das Anagramm "Marchand du sel" verwandelt. Marchand (Händler) beinhaltet den Begriff Handel (commercium). Bilder fixieren und in die Ökonomie einspeisen, ist eine Anspielung Schärs auf den Kunstmarkt. Mit dem Fixieren ist im übertragenen Sinne auch das Festhalten von Filmblidern aus dem laufenden Film gemeint, also seine PolaPics aus dem Darkroom. Der "Marchand du sel", so Schär, ist ein Bilderhändler, ein Bilderhändler, der mit bereits vorhandenen Bildern handelt, mit sogenannten "ready made pictures". Der Appropriation Künstler ist per se ein "Marchand du sel", so Schär.
Rudi Schär und die ikonisierte Ikone
A.F. Grazi
Wenn wir mit Rudi Schär die Oberflächlichkeiten der Gegenwart bereisen, stellen sich ganz andere Fragen.
Man kommt nicht umhin sich die Folgende zu stellen, nämlich ob Kunst, wenn sie heute gehört/gesehen werden will, den Boulevard und nicht das Feuilleton erobern muss. Inwiefern sich Kunst abnutzt an den Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie ist eine Frage, die man sich stellen muss. Es ist müssig zu behaupten, dass Insider wohl wissen, wo es lang geht und was Sache ist. In Tat und Wahrheit spielt der Markt anders und Kunst misst sich nach wie vor an den Pulten der Auktionatoren. Sie sind es, die aus Kunstwerken Gold machen. Gold das zuweilen in den Tresoren von Banken als Gegenstand der Spekulation gebunkert wird. Schär weiss das und hat dieser Tatsache ein Denkmal gesetzt. “Hands up“ eine Arbeit die wie eine Drohung daher kommt und die das Problem auf den Punkt bringt. Schär zeigt darin die beiden Starauktionatoren von Sotheby‘s Tobias Meyer und Jussi Pylkkanen von Christie’s, wie sie realiter in beiden Fällen Werke von Francis Bacon für Spitzenpreise verkaufen. 142,4 Millionen Dollar für den Francis Bacons Triptychon "Three Studies of Lucian Freud" ein neuer Rekord für ein einzelnes Kunstwerk, erzielt durch Jussi Pylkkanen, den Hands-up-man. Die Montage suggeriert indes, dass das Bild Hands-up von Schär durch Tobias Meyer versteigert wird.
Bei einem Besuch in der Schweiz hat Schär folgendes PolaPic mit dem Titel "Blanker" aufgenommen. Ein Blickaushang mit der Headline: Blocher kauft Anker für 7,5 Mio Franken. Aus Blocher und Banker wird im Titel Blanker. (blankes Gold)
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