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2. November 2010

“Das ewige Kreuz mit dem Kreuz

Gedanken zu der TV Sendung Arena vom 29.Oktober 2010 des Fernsehens der deutschen Schweiz.

A.C. Sauerberg

Zwei aktuelle Fälle im Wallis und im Kanton Luzern haben die Debatte über Kruzifixe in Schweizer Schulzimmern neu entfacht. Ein Walliser Lehrer wurde laut eigener Aussagen entlassen, weil er sich weigerte, die von ihm entfernten Kruzifixe im Klassenzimmer wieder aufzuhängen. Dabei gehe es ihm gar nicht um die Symbole, sondern darum, dass die Religion an den Schulen allgemein einen zu hohen Stellenwert einnähme, sagte er in der «Arena».

Der Wind weht aus allen Richtungen. Ein Kruzifixstreit passt nicht ins Kalkül allgemeiner Meinungsmache einer populistischen Rechten, welche ihre Wählerschaft sorgsam präpariert hat mit anti-islamitischen Tendenzen wie Kopftuchverbot, Minarettverbot, Burkaverbot. Man beruft sich auf eine christlich abendländische Leitkultur, welche durch das Gebot der Nächstenliebe und Toleranz geprägt sei. Diese Tugenden, dem Islam so nicht gegeben, wenn man an den Dschihad, die Sharia, Steinigungen und Selbstmordattentate denke, werden als Gründe aufgeführt.

Der Begriff einer europäischen Leitkultur indes wurde von dem Politologen Bassam Tibi eingeführt und basiert auf westlichen Wertvorstellungen: „Die Werte für die erwünschte Leitkultur müssen der kulturellen Moderne entspringen, und heißen: Demokratie, Laizismus, Aufklärung, Menschenrechte und Zivilgesellschaft.” (B. Tibi, Europa ohne Identität, S. 154). Dieser Begriff hat Ähnlichkeit mit dem in der Verfassungsrechtsprechung üblichen Begriff der „Freiheitlichen demokratischen Grundordnung”.

Die Linke, welche aus den traditionellen Arbeiterparteien hervorgegangen ist, hat ihre Stammwählerschaft, das Proletariat, verloren. Dieses hat sich durch die veränderte Arbeitswelt, die Automatisierung, weitgehend verkleinert und der Restbestand so er denn schweizerischer Herkunft ist, ist grösstenteils zu der Rechten abgewandert. Das eigentliche Proletariat jedoch besteht aus Migranten ohne lokale politische Rechte. Ihnen wird von Links bis Grün, aber auch von einzelnen Pfarrern der Landeskirchen, eine Stimme gegeben.

Wenn also die alte Linke traditionell den Marx in der Hosentasche hatte, so hat die neue Linke das Kruzifix unterm Rock und das grosse Halstuch um den Hals. Das marxistische Diktum, dass Religion doch Opium fürs Volk sei, ist längst einer toleranten Multikulti(unter)haltung gewichen, an der auch New Age nicht spurlos vorbeigegangen ist. So grenzt etwa der Streit um Komplementärmedizin an vielen Ecken ans metaphysische Glockenspiel. Dass hier, wenn es um Globuli und Co. geht, als auch bei der Kruzifixdebatte, der Karasek der exakten Wissenschaften, Beda Stadler, nicht fehlen darf, hat mittlerweile die Runde gemacht. Stadler wie Karasek haben ihren Unterhaltungswert, sind Produkte einer Medienwirtschaft, für die die Einschaltquote an erster Stelle kommt. Die Arena ist komponiert wie Denver Clan oder Dallas, man erhält immer die gleichen „Bösewichte“ vorgesetzt.

Wer sich nun nach einer solchen Sendung in die Niederungen des ihr zugewandten Blogs herablässt, dem weht die volle Wucht des Hasses entgegen, da wird gekreuzigt, was das Zeug hält. Gekreuzigt werden allen voran die Ungläubigen. Am Hammer finden wir solche vor, die vor Nächstenliebe geradezu strotzen. Mit Nächstenliebe meinen sie denn auch ihre Nächsten, nämlich die eigene Familie, die eigenen Freunde, die eigene Partei, den eigenen Kampfhund etc. etc. Den Atheisten erklären sie den "christlichen Tschihad", da gehen sie stramm Hand in Hand mit den Muslimen und sprechen die Fatwa aus.

Die drei monotheistischen Religionen gehen bekanntlich auf den Gott des alten Testaments zurück. Dieser war vorerst ein lokaler Gott, Jahwe, der an der Seite der Göttin Ashera wirkte. Zuerst also einer von vielen, dann umgemünzt zu dem einen, dem monotheistischen Jahwe. Kluge israelitische Schriftgelehrte haben ein Konstrukt aus den assyrischen Vasallenverträgen hergeleitet, in welchen kein anderer Herrscher neben dem Assyrischen toleriert wurde. Ein genialer Schurkenstreich, der obendrauf auch noch das Weib in gut patriarchaler Manier ausgehebelt hat. Dieser Supergott, der anfangs ein Gesicht hatte, war er doch durch und durch Götze, wie etwa Baal und andere, wurde zu einem abwesenden Gott. In Stein gemeisselt das wohl erste "verbriefte" Bilderverbot der Religionsgeschichte.

Doch in den 10 Geboten, neben dem Bilderverbot, zeigt ein anderes das wahre Gesicht dieses neuen Gottes. Er entfaltet all seine Macht dann, wenn es um seine Konkurrenten geht:

“Bete sie nicht an und diene ihnen nicht. Denn ich, der HERR, dein Gott, bin ein eifriger Gott, der da heimsucht der Väter Missetat an den Kindern bis in das dritte und vierte Glied, die mich hassen; tue Barmherzigkeit an vielen Tausenden, die mich liebhaben und meine Gebote halten. Bis in das dritte und vierte Glied! “

Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen. Sippenhaft nennt man das wohl, ein wahrlich liebender Gott, dieses neue Konstrukt.

Dieser grosse Abwesende wird nun durch das alte Testament hindurch begleitet von all den Propheten. Alle aber warteten sie auf den Messias, der den Frieden bringen sollte. Nun einer ist gekommen und hat es versucht, sie haben ihn ans Kreuz genagelt wie tausende andere auch. Bei den Spartacus Unruhen war die Via Appia voll gepflastert mit Gekreuzigten. Ebenso gut könnte man also den gekreuzigten Spartacus als Symbol der Unterdrückung an die Wand hängen.

Bezeichnend ist die Geschichte um Barrabas. Sie zeigt auf, wie die Theologen mit der Konkurrenz umgehen. Pilatus war ein kluger Kopf, für ihn war die Figur eines Massenverführers Jesus gefährlicher, als ein Terrorist und Mörder, wie es der Barrabas war. Er wusste genau, so die Bibel, dass die Schriftgelehrten den Jesus ans Kreuz liefern würden, ergo, so unschuldig war dieser Pilatus natürlich nicht, trotz Hände waschen.

Für die Juden war in der Folge Jesus von Nazareth nicht der Gesalbte. Sie warten bis zum heutigen Tag. Einige Wirrköpfe möchten sogar den Tempelberg abtragen, da sie darin immer noch die legendäre Bundeslade vermuten. Dass dabei der Felsendom abgerissen werden müsste und ein möglicher Weltkrieg ausgelöst werden könnte, ist ihnen offenbar egal. Sie verbinden das Auffinden der Bundeslade mit dem lange ersehnten Kommen des Gesalbten.

Für die Moslems ist er nur ein Prophet und nicht der Letzte wie wir wissen.

Was wir wissen und da müssen wir dem Beda Stadler doch zustimmen, seit die sich wegen dieser Vorherrschaft, denn es ist eine Herrschaft geblieben, Gott Jahwe oder Allah wie die Wüstensöhne ihren grossen Abwesenden nennen, hat weder eine Jesua noch eine Mohamedulla gesandt, sondern zwei fesche Jungs. Was folgt ist gerne unterdrücktes Allgemeingut. Es sind dies, um nur einige zu nennen: Die Kreuzzüge, die osmanischen Kriege, die heilige Inquisition und hunderte von religionsbedingter Händel und Genozide, bis hinein in unsere Tage. Die Juden fortan in der Diaspora, werden zum Sündenbock für alles und jedes. Auschwitz, der Höhepunkt irdischer Verirrung und humaner Perversion, wirft für immer einen langen Schatten über alle irdische Kultur. Hier ist eine Nation auf dem Prüfstand gelandet, die stellvertretend für alle menschliche Kreatur hergezeigt hat, zu was diese Spezies in der Lage ist, wenn man ihr nur gut zuredet und die notabene eine christliche Leitkultur als Fundament in sich trug. Während Hitler und die meisten seiner Deutschen und Österreicher nach Walhalla abdrifteten, hat Stalin im Osten, im Namen von Marx und Lenin, wortwörtlich gottlos gehandelt. Atheisten sind also nicht per se unproblematisch, morden aber für eine gute Sache wie sie meinen: “Quod erat demonstrandum“, Gulag, RAF und Co. Ein Kruzifix an der Wand, ein Fix und Foxi in der Hand, hat einmal der Sehnaher Dichter Jens Alderson vor vielen Jahren geschrieben. Ob Honegger, Reagan, Hitler, Stalin oder ein Kruzifix an der Wand hängt, ist der Wand egal, schade ist es allemal für die Wand, gibt es doch Kunstwerke und deren Reproduktionen. Aber eben, big Brother is watching you, auch, wenn er ans Kreuz genagelt, aus dem letzten Loch pfeift. Noch einmal Spartacus. Das Kreuz könnte ein Symbol, ein Logo gegen Totalitarismus sein, wäre es nicht zur Leibstandarte der Macht verkommen.

Der Prophet Mohammed, der Autor ist kein Islam-Kenner, soll 632 in Medina zu Hause gestorben sein, wahrscheinlich im Bett. Das gibt marketingmässig wenig her, ist aber nicht unsympathisch. Dass sich heute junge Selbstmordattentäter in die Luft sprengen ist daher eigentlich verwunderlich. Doch so lange diese Jungen Fanatiker es tun, können Leute wie Osama Bin Laden ruhig im Bett sterben, wie es der Prophet vorgemacht hat. Und vielleicht haben sie ja zu Lebzeiten genug Jungfrauen zur Hand und sind nicht ans Jenseits angewiesen, oder verwechsle ich die etwa mit dem Cavaliere del Lavoro Silvio Berlusconi, der in jenen Landen regiert, wo die “christliche Leidkultur“ ihren Hauptsitz hat?

Es scheint, als breche wirklich ein kleiner Kampf der Kulturen aus. “Im Kreuz ist das Leben, im Kreuz kriecht der Wurm“, ebenfalls ein Alderson Zitat. Wenigsten wird Basel seinen Inquisitor los. Ratzinger holt ihn nach Rom, die Schweiz wird einmal mehr Kardinal. Zurzeit hat auch Sepp Blatter etwas Mühe mit der christlichen Leitkultur im Fussball. Vielleicht sollte er vermehrt Kreuze im Palais FIVA aufstellen, oder verlangen, dass anstelle gelber oder roter Karten vom Schiedsrichter das Kreuz erhoben wird.

Lieber Lehrer Abgottspon: Was Sie Kruzifix und fertig macht, ist gerade an Wänden von Walliser Schulzimmern unverzichtbar, denn wo sonst in der Schweiz gibt es noch Vampire und Wölfe. Nun gut, Beda Stadler wird uns eines Besseren belehren und für einmal über seinen Schulmedizinischen Schatten springen und dem Kanton Knoblauch verordnen. Das Wallis sollte im Grunde als ganzes zum katholischen Nationalpark erklärt werden. Chinesen und Japaner würden diese Eingeborenen mit ihren Einwegkameras zuhauf heimsuchen und ablichten. Titel wie “Schwarznasenschaf mit echtem Katholiken“ würden unter den Bildern fernöstlicher Ferienerinnerungen stehen. Zuweilen ist diese Posse leider nur noch satirisch zu ertragen.

Ebenfalls dieser Tage erscheint die Studie «Wie Reiche denken und lenken» in Buchform. Die stets weiter auseinanderklaffende Schere zwischen Arm und Reich wird zunehmend auch von intelligenteren Reichen als Bedrohung aufgefasst. Der soziale Friede ist in Gefahr, die Gewaltbereitschaft wächst. Vorerst werden die Reichen noch verschont, da das Feindbild des armen Fremden und Andersartigen noch im grossen Ausmass greift, frei nach dem feigen Motto: “Nach oben lecken, nach unten treten.“ Die Leithammel der SVP richten das Augenmerk ihrer “weissen“ gezielt auf die schwarzen Schafe. Der grösste Witz unserer christlichen Leitkultur ist die heilige Kuh Bankgeheimnis. Dieses wird sogar für eidgenössische Habenichtse und Sozialfälle zum unverzichtbaren Fetisch. Wasser predigen und Wein trinken und denken nach uns die Sintflut. Auf der einen Seite wird der Satz: “Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, denn dass ein Reicher ins Reich Gottes komme“, welcher prominent (wohlverstanden!) im neuen Testament in drei Evangelien gleichzeitig vorkommt, beflissentlich ignoriert, um auf der anderen Seite humanistische egalitäre Selbstverständlichkeiten wie ein neutrales Klassenzimmer, in ein chauvinistisches Politikum umzumünzen und bis aufs Messer zu verteidigen.

In einem Punkt ist der Autor mit Beda Stadler nicht ganz einig, nämlich da wo dieser den schon von Ludwig Büchner vertretenen Standpunkt zum Besten gab: Agnostiker hätten den Mut zum letzten Schritt (Atheismus) noch nicht gehabt.. Agnostizismus ist eine grundsätzlich philosophische Haltung, welche den letzten Satz des Tractatus logico-philosophicus von Wittgenstein ernst nimmt. In den Naturwissenschaften, der Philosophie und der Mathematik zeichnet sich ebenfalls eine “agnostische Position“ ab. Der Diskurs bezüglich letztbegründender Aussagen läuft, Quantentheorie, Relativitätstheorie, Gödels Satz, oder die von Kant ausgemachten Aporien sprechen für natürliche Grenzen. Einstein konnte nicht akzeptieren, dass es "grundsätzlich unmöglich sein sollte, alle für eine vollständige Determinierung der Vorgänge notwendigen Bestimmungsbruchstücke zu kennen" (Zitat Heisenberg). Der Alte (Gott) würfelt doch nicht", war die Antwort von Albert Einstein auf Heisenbergs Unschärferelation. Nils Bohr soll ihm geantwortet haben: “Schreiben Sie dem lieben Gott nicht vor, was er zu tun und zu lassen hat.“ Inwieweit der liebe Gott für beide nur rhetorisches Vehikel war, entzieht sich den Kenntnissen des Autors. Dieser bezeichnet sich selber als starken Agnostiker, würde jedoch nie behaupten, es gebe keinen Gott, oder keine „höhere Natur“, was immer man sich darunter auch vorstellen mag oder eben nicht vorstellen kann. Und was ist dem freien Willen dem die Hirnforscher neuerdings ans Leder gehen? Können Gläubige vielleicht gar nichts dafür, dass sie glauben und erliegen Atheisten ganz einfach ihrem Gehirn, welches bei Agnostikern wiederum total versagt, weil sie zwischen 0 und 1 landen?

Was in der ganzen Debatte seiner Ansicht nach immer zu kurz kommt, ist der Satz vom Wunder, nämlich, dass überhaupt etwas ist und nicht vielmehr nichts.

Die ungeheure Geschwindigkeit mit welcher die Naturwissenschaften vordringen und immer neue Wissenstürme aufschichten, verursachen dem kleinen Mann von der Strasse zunehmend mehr Ängste, als die Riesenvermögen der Superreichen. Esoterische Halbwelten bieten sich geradezu an. Kunstfehler bieten Anlass, den approbierten Arzt im Regen stehen zu lassen, und Kranke werfen sich freiwillig den Kurpfuschern zum Frasse vor. Hellseher durchbrechen die Zeit in mehrfacher Lichtgeschwindigkeit bar jeder physikalischen Relevanz. Es gibt halt solche, die haben einfach das gewisse Etwas, man könnte diese Gruppe die bildungsferne Elite nennen.

Und noch einmal Alderson: Die Steigerung von Engel ist : Engel, Schutzengel Hells Angels.

Und noch etwas, die PISA Studie hat nichts aber auch gar nichts mit dem schiefen Turm und ein Mutterkuchen nichts mit dem Muttertag zu tun.










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