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5.April.2014

Wieviel Spielraum hat die Schweizer Neutralität?

Einige Gedanken zur Neutralitätsfrage im Anschluss an die Arena (SRF1) vom 4.4.2014

A.C. Sauerberg

Die völkerrechtliche Neutralität bezieht sich primär auf den kriegerischen Handel. Weder darf das neutrale Land sich an kriegerischen Aktionen als Partei gegen Dritte beteiligen, noch darf das Land sein Territorium für solche Händel zur Verfügung stellen. In Sachen Kriegsmaterialausfuhr müssen Kriegsparteien gleichberechtigt behandelt werden.

Man kann im Ukrainekonflikt verschiedener Meinung sein. Da ist vieles nicht sauber und man muss ernsthaft bezweifeln, ob eine Sezessionsabstimmung auf der Krim von der Ukraine geduldet worden wäre, ohne das militärische Eingreifen Putins. Völkerrechtlich ist diese Aggression inakzeptabel, unter dem Strich könnte man aber sagen, haben die Russen der Demokratie auf der Krim mit Waffengewalt zum Durchbruch verholfen. Eine Demokratie deren Hypothek leider der Genozid an den Krimtataren und anderen Ethnien unter Stalin einschliesst. Immerhin ist der jetzige Konflikt unblutig ausgegangen.

Die Krise in der Ukraine und die Haltung der Schweiz gab Anlass zur Diskussion in der TV Arena. Die Neutralität der Schweiz war einmal mehr auf dem Prüfstand der Gemüter.

Adrian Amstutz und grosse Teile der SVP verstehen Neutralität umfassender, "schweizerischer". Vorgeschoben werden sicherheitspolitische Überlegungen, welche den Neutralitätsbegriff ins Feld der politischen Neutralität ausweiten. Die eigene Position der Schweiz muss sozusagen unter dem Deckel gehalten werden, wird gefordert. Als die Welt während dem kalten Krieg noch in zwei Blöcke geteilt war und der linke Feind im Innern der Schweiz bekämpft wurde, hielt sich die Rechte mitnichten zurück, wenn es um die politische Stellungnahme und Meinung ging. Es war auch klar, dass dem real existierenden Sozialismus keine Waffen geliefert wurden. Es gab demnach kein grosses Geschäftspotential das man hätte beackern können, ergo konnte, ja musste man eine kesse Lippe riskieren und klar Stellung gegen den Kommunismus einnehmen. Das war mitnichten eine neutrale politische Haltung und ist historisch näher an der Zeit als Köppels Marignano. Den Geist von Marignano, oder noch besser von Solferino zu beschwören ist dann billige Masche, wenn man seine Hülle auf dem verkommenen Ehrenfeld eines Kleinstaates aufstellt, der seine Finger seit eh in fast jedem dreckigen Geschäft hatte und noch hat, das dieser Globus anbietet. Ist es nicht die Pflicht jedes freien Bürgers sich gegen das Unrecht aufzulehnen und es beim Namen zu nennen? Und ist es nicht die Pflicht jedes freien Staates sich gegen das Unrecht in der Welt zu äussern und es ebenfalls beim Namen zu nennen? Werden gute Dienste nicht da zur Farce, wo sie als Vorwand für  den freien Handel mit dem Teufel herhalten müssen? Praktisch ist die Masche schon, denn wer verhandelte zwischen Fidel und der USA, die Schweiz. Hinter all den guten Absichten könnte man stehen, wenn nicht aus dem doppelten Boden desselben Diplomatenkoffers der Staubsaugervertreter seine Papiere zücken würde. Man muss sich noch heute für unser Land schämen bezüglich der Haltung während der Apartheid und nie hat ein Schweizer in unserer verlogenen Mythologie, die wir Geschichte nennen, den Schneid eines Nelson Mandela gehabt, es sei denn jener Hauptmann Paul Grüninger, der Juden gerettet und so gegen die Neutralität verstossen hatte.

Radikale Neutralität wie sie Herr Amstutz im Denkansatz des Politischen vertritt, muss diesen auch zu Ende denken. Das Land dürfte demnach kein Gran Ware ausführen, kein Schweizer-Messer mit Schweizerkreuz, mit dem einem Feinde im Nahkampf die Kehle durchgeschnitten werden könnte und welches gefährliche Rückschlüsse zuliesse, keine Uhr, die den Zeitpunkt einer Explosion begünstigen, schlicht nichts, das dem fremden Lande als Zulieferant von Möglichkeiten zur barbarischen Absicht nur im Entferntesten dienen könnte. Die schiere Haltung, dass man nicht verantwortlich ist, was den Verwendungszweck von Pilatusflugzeugen angeht, ist alles andere als neutral, denn gerade die vorgeschobene Naivität ist das Kalkül dessen, was heute den kalten Krieg der globalen Wirtschaft ausmacht und diesem folgt in der Regel der heisse, angefeuert von der Schmach der wirtschaftlichen Kapitulation. Die Schweiz hat sich von der eigenen, der Schmach von Marignano erst einige hundert Jahre später erholt und hat sich auf ein neues Schlachtfeld, das der friedlichen Kriegsführung gewagt, analog dem japanischen "Krieg der Wirtschaft" nach Hiroshima und Nagasaki. Sie ist ebenfalls zur ansehnlichen Wirtschaftsgrossmacht aufgestiegen. Beinahe noch eklatanter hat sich der "kleine Fürst" im Ländle aufgeblasen. Immerhin sind die Liechtensteiner im EWR und haben schon früher auf eine Weissgeldstrategie gesetzt als die Schweiz. Liechtenstein hat seine Armee 1868 aus Kostengründen aufgelöst und war in beiden Weltkriegen neutral. Warum wohl wurde es im zweiten Weltkrieg nicht vom grossdeutschen Österreich eingenommen? Der Naive denkt nun, dass die Schweiz mit ihrer Armee den Kleinststaat, der sowieso irgendwie mehr zur Schweiz gehört als irgendetwas, mitverteidigt hatte. Und ein Territorium das keine Armee hat, wird im Magen eines Kleinschweizers seit ehedem als weniger bedeutend angedacht als der Rummelplatz in Rust, der das gefährliche Logo Europa im Namen führt.

Immer wenn das Wort Sanktionen aufleuchtet am politischen Horizont, leuchten ebenfalls die roten Lampen in den Stuben der Händler. Sanktionen leuchten bildgebend gesprochen beim einen nicht in derselben Hirnregion auf wie beim anderen. Man muss mit Herrn Amstutz nicht in die Röhre um festzustellen woher der Wind weht. Übersetzt heisst sein Neutralitätsbegriff: Keine Stellungnahme zu Konflikten, da diese die Sicherheit des Landes gefährden könnten. Sicherheit ist in solch verquertem Unterbewusstsein wohl synonym mit Freihandel, also Sicherheit primär für den Handel. Aber wen wunderts, Amstutz schickt auch gleich noch die starke Armee ins Feld, den Gripen Maurers im Vorderkopf, da die bewaffnete Neutralität ohne Armee nicht zu haben ist.

Witz du bist ebenso umzingelt wie die Schweiz selber. Um uns herum steht die Nato bis an die Zähne bewaffnet. Wir sind umzingelt, wie es im Marignano Jargon heisst, oder noch besser eingekesselt um Stalingrad zu bemühen. Die geistige Landesverteidigung, welche aus dem kalten Krieg nachleuchtet, hat sich in einer sublimierten Variante offenbar in den Stammhirnen der SVP Wähler eingenistet. Bei Konflikten wie der momentanen Krimkrise ist eine politische Haltung und deren Äusserung keine territoriale Gefährdung der Neutralität und Herr Putin wird als Vergeltung sicher keine als Tschetschenen verkleidete russische Agenten mit Rucksackbomben in die Schweiz entsenden. Etwas anderes ist es natürlich, wenn wir an die Gschäftshuberei der Schweiz denken. Konti einfrieren, da gefriert dem Rechten Schweizer das Blut in den Adern. Das ist Geschäftsschädigung per se. Was früher die Hellebarde und der Morgenstern war, steht heute als Apparat am Paradeplatz und zählt schmutzige Moneten. Herr Köppel, der Propagandaminister der Rechtspopulisten und selbstverliebter Gernredner wetzt seine Komplexe zuweilen im Mythologischen. Es ist interessant mit anzuhören, wie sich diese Debatte als rhetorischer Lindwurm im bürgerlichen Lager herum windet. Die Linke kann getrost auf der Tribüne Platz nehmen. Doris Fiala FDP hat sich ganz ordentlich durch die Schlacht gemetzelt. In ihrem Hermeskostüm war sie Ross und Reiter in einer Person. Das alte Feindbild Calmy-Rey wurde natürlich einmal mehr von Herrn Amstutz besungen. Man wirft ihr grösste verbale Vergehen gegen das Neutralitätsprinzip vor, dabei hat sie sich doch nur als Winkelried gefühlt und ist mutig vorgeprescht, wollte die Ehre der Schweiz retten. Klar, dem Winkelried kann man keine Kamerageilheit in die Schuhe schieben. Hätte es damals schon Kameras gegeben, wäre wohl nach solchem Kalkül fast jeder zweite in die Speere gerannt. Aber unter uns, nicht nur hat es damals keine Kamera gegeben, noch hat es einen Winkelried, den man damit hätte filmen können, gegeben. Winkelried ist wie der Wilhelm Tell ein Osterhase der Historie. Jeder hat so seine Masche, auch Herr Amstutz. Er und Köppel wissen was Neutralität ist. Nur schade, dass sie selber nicht etwas neutraler sind. Offenbart haben die beiden vor ihrer eigenen Wirkung Angst und übertragen diese auf die Weltpolitik. Denn man verspürt in der Tat bei sich selber eine gewisse Regung, eine innere Aggressivität, wenn man den beiden zuhört.