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"Das Matriarchat" von Rudi Schär

Dr. Anna Felizitas Grazi besuchte für berenanews.com die Biennale von Venedig.

"Und ewig lockt das Weib"

A.F. Grazi

Die Kritik hat es längst aufgegeben Rudi Schär in einer Kunstecke zu bannen. Schär hat einmal gesagt, er lasse die Themen auf sich zukommen, erst dann setze er diese medial um. Am Anfang stehe bei ihm entweder der spontane Gedanke, also ein endogenes Phänomen, oder aber die Begegnung, ein exogenes Phänomen. Diese Erlebnisse werte er aus und wenn sie ihn genügend bewegten, nicht mehr losliessen, setze er sie medial um.

Anlässlich der diesjährigen Biennale von Venedig hat die Republik Rudi Schär in den Sehnaher Pavillon eingeladen. Das alte etwas unspektakuläre Gebäude ist leider nicht geeignet für Installationen und so hat Schär seine jüngste Fotoserie “Matriarchat“ ausgestellt.

Die Bilder entstanden, so Schär, auf dem Samstagmarkt in Mires im Süden Kretas. Mires liegt eine Hand voll Kilometer von den minoischen Palastanlagen Festos und Agia Triada entfernt. Schärs Interesse für matristische Kulturen führten ihn auf die griechische Nachbarinsel. In Mires faszinierten ihn dann die riesigen Markttische voller Unterwäsche, in denen die “Mütter“ von heute herumwühlten. Während das Matriarchat die offenen Brüste betonte (s. Bild der minoischen Schlangengöttin), würden in unserer Zeit diese Organe mit einem eigens dafür entwickelten Kleidungsstück verhüllt und gestützt, so der Künstler.

Schär darauf angesprochen, ob er ein Wäschefetischist sei, erwidert:

„Nein, das interessiert mich eigentlich nicht sonderlich, man muss aber bedenken, dass dieses Wäschestück ein Frauending ist mit dem wir Männer in der Regel nichts anfangen können. Das hektische Treiben an den Tischen mit den BH war eindrücklich, die Damen wühlten förmlich in den Haufen herum. In unseren Städten findet diese Auswahl in den Wäscheabteilungen der Kaufhäuser statt, ist ein diskreter, intimer Vorgang. Als Mann gerät man höchstens in Begleitung in dieses Revier, um nicht in Verdacht zu geraten.“

Schär darauf angesprochen, ob denn dieses Thema genug hergebe, um verkunstet zu werden?

„Das war nicht allein ausschlaggebend. Mich faszinierte die Assemblage der Farben. Ein Farbbild gemalt mit BHs. Mal ein Haufen, ein Durcheinander, mal schön drapiert und aufgereiht. Dann natürlich die schönen Muster in den Stoffen. Kurz ich war angetan von Form und Farbe, sie liessen mich nicht mehr los und so ging ich am nächsten Samstag, der Markt findet immer am Samstag statt, wieder hin und knipste meine Bilder. Im Grunde sind meine Gemüsebilder vom selbigen Markt viel schöner und noch bunter, aber sie erzählen irgendwie keine Geschichte."

Schärs Kunstschaffen hat sicher schon bessere Tage erlebt und die Kritik an dem diesjährigen Bienalebeitrag ist nicht ganz unbegründet. Immerhin schafft es Schär auch diesmal wieder genügend Publizität einzuheimsen. Die Serie der grossen Bilder sei bereits ausverkauft, so die Galerie Bernheim. Dies trotz der Medienschelte wohlverstanden, oder vielleicht gerade deswegen. Schär hat mich nach meiner Meinung gefragt und ich habe ihm geantwortet, dass ich beim Betrachten seiner Werke unweigerlich mein eigenes Büstenhalterinventar überdacht hätte, mit anderen Worten, ich habe in den Bildern zu wühlen begonnen. Es sei vielleicht ein Werk, das Männlein und Weiblein mit anderen Augen erlebten.

Je länger ich die Ausstellung Revue passieren - und nachwirken lasse, umso mehr wird mir bewusst, dass Schärs farbenprächtige Bilder, mit ihrem banalen Inhalt eine fast unschuldige, anrührige Geschichte erzählen. Ohne in den Verdacht der Prüderie kommen zu wollen, in einer abgebrühten, von Pornografien verseuchten Welt wie der unseren, kam es mir beinahe so vor, als habe Schär uns einen versteckten Schutzwall von Verhüllungsapparaturen angeboten. Als ich dann das Bild der Schlangengöttin vor Augen hatte, kam mir unweigerlich unser Schöpfungsmythos in den Sinn. Eva, die feinen Äpfel, die Schlange und der Trottel Adam, ein Homer Simpson der ersten Stunde, der uns das alles eingebrockt hat, schwanzgesteuert wie sein Ebenbild der liebe Gott.


Minoische Schlangengöttin
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