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25. Januar 2010


Der Karnatmaler von Sehnah

A F. Grazi

Die Nationalgalerie zeigt vom 25. Februar bis am 6.Juli 2010 eine umfassende Retrospektive, sowie eine Werkschau der neusten grossflächigen Arbeiten von HUS.

Der Sehnaher Künstler arbeitet seit den frühen achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts fast ausschliesslich mit Fleischfarbe. HUS bezeichnet sich nicht als Monochromen, da er die Fleischfarbe nicht wie das IKB (International Klein Blue) von Yves Klein genau definiert, sondern Mischformen verwendet.

Für HUS findet Kunst nicht im Werk allein statt, das Ritual ist immer Teil seiner Objekte. Wie bei den Wiener Aktionisten gehört der Gestus, die Produktion, die Aktion zum Werk-Zeug. HUS bezeichnet demzufolge Kunstwerke als abgefallenes Zeug vom Prozess. Mit göttlichem Sarkasmus begeht er den Schöpfungsakt und “inkarniert“ Werkpathos in seine Bilder und Objekte. Das Betriebssystem wird Teil vom Werk und wenn Kunst wie HUS sagt immer gerade das ist, was sie nicht ist, vergleichbar der Unschärfenrelation von Heisenberg, sobald man sie “berührt“, verändert sie sich, so erinnert er an Paul Klee, der in sein frühes Tagebuch geschrieben: «Diesseits bin ich gar nicht fassbar. Denn ich wohne grad so gut bei den Toten wie bei den Ungeborenen. Etwas näher der Schöpfung als üblich. HUS der aus Bern in der Schweiz stammende, wo auch Klee gelebt hat, beruft sich aber eher auf einen zweiten Künstler, der in Bern sein Leben verbrachte und der sich auf seine Weise vom Diesseits “verabschiedet“ hatte, auf Adolf Wölfli. Für HUS hat die Aufklärung total versagt. Wir leben in einer Zeit, in der die Metaphysik Blüten treibt wie noch nie. Nicht zuletzt in der Kunst habe sie sich eingenistet, als Ersatzreligion oder reine Kunst sei diese bekanntlich geradezu prädestiniert und da wo man Metaphysik am wenigsten orte, z.B. in der minimal art, nahe dem Nirwana, sei sie umso präsenter. Bei Walter Benjamin wird der Kapitalismus zur Ersatzreligion. Für HUS ist der Kapitalismus eine globale Konstante, welche die Religionen aber auch die Künste und ihre Adepten überlagere und verseuche. Seine eingefleischten Preisbilder sind Leinwand und Preisschild in einem. Sie werden von der grossen Gummihose N°1 (DGGH1), einer Junggesellen-maschine als heilige Fäkalien ausgeschieden .

HUS sagt von sich: “Ich bin radikaler Agnostiker und als solcher glaube ich nicht, sondern weiss ganz einfach fast nichts. Eines weiss ich aber, ich dulde keine anderen Götter neben mir!“ Er laboriert mit überkommenen Begriffen wie Schöpfertum, Genialität, Ewigkeitswert und Geheimnis. Aber auch der Begriff der Aura wird in Frage gestellt. So etwa in seinen Arbeiten Inkarnat #FFBE99, in denen sogenannte „digital born Images“ immer Original seien. Der Codes ist das Original, jede Visualisierung des Codes ist immer nur Schein und dieser Schein transzendiert als solcher unentscheidbar das Original. Auch hier verweist HUS auf die Quantenphysik, auf den Welle/Teilchen Dualismus.

In der Kunstgeschichte ist der Karnatmaler ein gut bezahlter Handwerker, der den Holzfiguren, in der Regel sakrale Skulpturen, die vom Kleide unbedeckten Flächen bemalte. Heiliges Fleisch also.

Das Wort wird Fleisch! Ich bin ein Einfleischer ein Inkarneur! Das sind mitunter Sätze, die HUS in den 80ziger Jahren von sich gegeben hat. Er zelebriere einerseits den Duktus des Ketzers, sein Name HUS verweise auf jenen Namensvetter, der im Namen des Herrn gesotten und gebraten wurde und andererseits spiele er mit der Anmassung, die Garderobiere des Herrn zu sein. Ich kleide die Götter, denn Kleider machen aus ihnen nur Leute. Frühe Werke waren: Die Niere des Herrn, die Füsse des Herrn, DGGH1 oder die Überwurst. Kunst ist heiliger Abfall! Ich bin ikonodul, ikonoduler geht gar nicht! Dieser Satz steht im scheinbaren Widerspruch zur Aussage: Das Kunstwerk ist das Abfallprodukt des Prozesses.

HUS ist ruhiger geworden. “Je grösser meine Bilder werden umso stiller werde ich.“ Seine grossflächig eingefleischten Leinwände nennt er zuweilen Pathos N°22 Oder Aura N°45. Im grafischen Kabinett der Nationalgalerie sind die gepunzten Madonnen ausgestellt. Am Eingang zum Kabinett steht auf einer Tafel geschrieben, “Vorsicht die hier gezeigten Werke können Ihre religiösen Gefühle verletzen! Ihre Nationalgalerie“. Im Kabinett steht auch eine eingefleischte PVC-Madonna (Schampoflasche) mit eingeschlagenen Nägeln. Titel “Nagelfetisch, mitteleuropäisch“ Die Stabat Mater Dolorosa wird bei HUS zum heidnischen Nagelfetisch der Konsumgesellschaft.

Über das ich nicht sprechen kann, werde ich malen. Zur Zeit arbeitet HUS an den Bildern für seine agnostische Kapelle. Der Betonbau von Katawara ist ein hermetisch abgeschlossenes Pentagon (wie sinnig). Eine Treppe führt von aussen ins Zentrum des Raumes, so dass die sechs Wände nicht durch eine Türe verbaut werden. Der Innenraum gleicht einem Amphitheater mit ebenfalls im Pentagon ansteigenden Betonstufen. Die sechs grossen eingefleischten Leinwände stehen für die 6 Lebensfreuden: Nachgefragt, wie diese denn lauteten, sagt HUS: Das sei eben jedem einzelnen überlassen. Ein Philatelist habe andere Präferenzen als eine Blumenbinderin.